Fahrzeug abgeschleppt von Privatgrund
Sie haben nur schnell den Wagen geparkt und als Sie zurückgekommen sind, wurde Ihr Fahrzeug bereits abgeschleppt? Nun fordert ein Abschleppunternehmen ein horrender Rechnungsbetrag von Ihnen. Ist das rechtmässig? Im schweizerischen Recht ist es grundsätzlich unumstritten, dass man widerrechtlich parkierte Fahrzeuge abschleppen lassen kann. Hierfür müssen jedoch gewisse Voraussetzungen erfüllt sein.
Wer darf mein Fahrzeug abschleppen?
Das Recht, ein fremdes Fahrzeug abzuschleppen, steht dem betroffenen Grundstückeigentümer resp. dem dinglich Berechtigten zu (also z.B. dem Mieter eines Parkplatzes). Oft erteilen die Eigentümer einem Abschleppunternehmen den Auftrag, sämtliche Fahrzeuge, welche auf seinem Grundstück unberechtigterweise parkieren, abzuschleppen.
Wer muss die Rechnung bezahlen?
Weil Sie mit dem Abschleppunternehmen keinen eigenen Vertrag abgeschlossen haben, muss sich das Unternehmen an den Eigentümer resp. den Auftragsgeber halten. Dieser kann dann diesen Schaden bei Ihnen einfordern.
Wie sieht die Lage aus, wenn das Abschleppunternehmen die Forderung zediert, also abgetreten erhalten hat?
In der Praxis kommt es regelmässig vor, dass die Abschleppfirmen vom Eigentümer die Forderung abkaufen resp. zediert erhalten. Diesfalls können die Unternehmen den Betrag in eigenem Namen fordern. Hierfür ist es jedoch notwendig, dass man Ihnen diese Zession anzeigt. Diese Anzeige erfolgt im Idealfall schriftlich.
Haben Sie Zweifel an der Zession oder wollen Sie auf Nummer sicher gehen, dass Sie nicht einem Betrüger Geld überweisen, können Sie als Bedingung der Leistung den Nachweis der Zession verlangen (mittels Vorlegung des Originals oder einer beglaubigten Kopie der Zessionsurkunde, (BGer, 5. 11. 2015, 4A_494/2014, E. 4.2). Legt der Schuldner die Urkunde nicht vor, wird die Forderung gar nicht fällig. Würde dann das Abschleppunternehmen eine Betreibung einleiten, hätten Sie wohl gute Chancen, dass es nicht zu seinem Recht kommt. Der Kläger ist sodann vorleistungspflichtig. Reicht die Gegenseite eine Klage ein, sieht es etwas anders aus. Die Fälligkeit muss mindestens beim entscheidungsmassgeblichen Zeitpunkt gegeben sein, d.h. sie kann die Zession auch noch später vorlegen.
Wann ist es gerechtfertigt, dass mein Fahrzeug abgeschleppt wird?
Die an einem Parkplatz Berechtigten können Ihr Fahrzeug gestützt auf ein Selbsthilferecht (Art. 926 ZGB bzw. Art. 52 Abs. 3 OR ) abschleppen lassen. Die Kosten können dann als Schadenersatz vom «Störer» zurückgefordert werden. Der Grundstückeigentümer/Besitzer ist dazu berechtigt, einen Parkplatz auch dann räumen zu lassen, wenn er ihn nicht selber benötigt. Zweck des Selbsthilferechts ist aber lediglich die Wiederherstellung des rechtmässigen Zustands, mithin die Beseitigung der Besitzstörung. Exzesse sind nicht geschützt. Der sich selbst wehrende Besitzer hat sich jeder nach den Umständen nicht gerechtfertigten Gewalt zu enthalten (Art. 926 Abs. 3 ZGB). Die Störungsabwehr muss verhältnismässig sein. Insbesondere darf zwischen dem Interesse des Besitzers und dem durch Ausübung des Selbsthilferechts dem Störer erwachsenden Schaden kein Missverhältnis bestehen, was sich auch aus dem Gebot von Treu und Glauben (Art. 2 ZGB) ergibt. Demnach muss der Besitzer diejenige Abwehrmöglichkeit wählen, welche die Rechtsgüter des Angreifers am wenigsten verletzt. Er ist nicht dazu berechtigt, unnötige Eingriffe vorzunehmen (Beschluss Obergericht vom 8. November 2016).
Gibt es eine Halterhaftung?
Nein. Ihnen muss nachgewiesen werden, dass Sie selber das Fahrzeug gelenkt haben. Ein einfaches Foto Ihres Fahrzeugs erfüllt diesen Beweis nicht.
Wie hoch darf die Rechnung sein?
Übersetzte Tarife etwa für das Abschleppen des Fahrzeugs können nicht geltend gemacht bzw. auf den Falschparker überwälzt werden. Dies deshalb, weil der Gläubiger eine Schadenminderungspflicht hat. Bei den Kosten orientieren sich die Gerichte an die Gebühren für das Abschleppen von Fahrzeugen durch die Stadtpolizei Zürich oder von dieser beauftragte private Unternehmen. Das Abschleppen wird dort pauschal mit Fr. 200.– veranlagt, wobei eine zusätzliche Gebühr für die Administration der Fahrzeugrückgabe von Fr. 90.– verlangt wird (Gebühren für das Abschleppen von Fahrzeugen durch die Stadtpolizei, Stadtratsbeschluss vom 6. Juli 1994 [Amtliche Sammlung der Stadt Zürich Nr. 551.340]). Weil die Verordnung doch schon etwas älter ist, empfiehlt es sich, die Kosten etwas zu erhöhen. Als unverbindliche Empfehlung würde demnach ein Betrag von Fr. 400.- eher die Obergrenze darstellen.
Darf das Abschleppunternehmen mein Fahrzeug zurückbehalten, wenn ich ihm die Rechnung nicht sofort begleiche?
Kurz gesagt: nein. Macht er es doch, kann es eine Nötigung darstellen. Verständigen Sie diesfalls die Polizei.
Wird die Gegenseite Ihre Forderung gerichtlich durchsetzen?
Das kann nicht so pauschal beantwortet werden. Wichtig zu wissen ist jedoch, dass die Gegenseite das Kostenrisiko trägt, wenn sie sich überklagt. Verlangt der Eigentümer oder das Abschleppunternehmen zum Beispiel Fr. 800.- als Schaden und spricht das Gericht nur Fr. 400.- zu, tragen beide die Kosten zur Hälfte. Wenn Sie also, falls eine Forderung an sich (nicht die Höhe) gerechtfertigt ist, einen Betrag überweisen, reduzieren Sie Ihr Kostenrisiko erheblich.
Wie kann ich vorsorgen?
- Weil ein Abschleppen verhältnismässig sein muss, darf man Ihr Fahrzeug nicht abschleppen, wenn Sie z.B. gut ersichtlich Ihre Handynummer auf dem Armaturenbrett hinterlegen. Diesfalls müsste m.E. der Eigentümer einen Anrufversuch starten. Machen Sie sicherheitshalber noch ein Foto davon, bevor Sie sich vom Fahrzeug entfernen.
- Entfernen Sie sich nicht weit von Ihrem Fahrzeug. Im Idealfall halten Sie Sichtkontakt.
- Geben Sie nicht vorschnell zu, dass Sie das Fahrzeug gelenkt haben. Allenfalls kann dies Ihnen in einem Prozess noch helfen.
Anwalt für Verkehrsrecht
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